„Er war doch bloß dein Ex, warum trauerst du so um ihn?“, „Komm mal wieder klar, du hattest doch kaum Kontakt mit ihr!“, „Nach 5 Jahren bist du immer noch nicht drüber hinweg?“, „Du kannst ja noch ein Kind kriegen.“, „Das passiert 1000 anderen Menschen auch…“
So oder so ähnlich lauten die Sätze, die ihr, ich und viele andere Trauernde an den Kopf geworfen bekommen.
Diesen Menschen möchte ich hiermit etwas sagen:
Das tut weh! Es tut unendlich weh! Egal wie nah oder sichtbar die Beziehung zu diesem Menschen (oder Tier) war.
Du hast nicht das Recht über die Trauer eines anderen Menschen zu urteilen. ͏Das Lästern über andere, ist ein Zeichen für die eigene Unzufriedenheit.
Vielleicht war ihr Ex ihre erste große Liebe und sie verbrachten einen großen Teil ihres Lebens miteinander.
Vielleicht hätte er gerne mehr Kontakt zu ihr gehabt und wollte ihr so vieles sagen, doch wusste nicht wie. Und ehe er die Möglichkeit ergriff, ist sie plötzlich verstorben.
Vielleicht versucht sie schon seit vielen Jahren endlich ein Baby zubekommen und ihr unerfüllter Babywunsch belastet sie Tag für Tag.
Und auch wenn eine Geschichte weniger dramatisch erscheint:
Du hast keine Ahnung, wie es in deinem Gegenüber aussieht.
Auch nicht, wenn du selbst mal jemanden verloren hast und weitergemacht hast wie zuvor. Du bist nicht das Maß aller Dinge. ͏
Im Grunde kannst du nicht wirklich etwas dafür, denn nicht nur du weißt nicht, wie man mit Trauernden umgehen soll.
Weil wir Unangenehmes gerne weg lächeln. Wir messen uns an Zahlen auf dem Bankkonto. An der Größe unseres Autos. An den Followerzahlen auf Instagram.
Rennen täglich einem Ideal hinterher, das in unseren Köpfen herumspukt und vergessen dabei das Wichtigste:
Wir sind keine Maschinen, die Tag für Tag funktionieren müssen. Wir sind fühlende Lebewesen. Liebe, Zugehörigkeit und Nähe sind GRUNDBEDÜRFNISSE!
Es ist kein emotionaler Firlefanz. Hört endlich auf, diese Seite in euch wegzulächeln und mit Tabletten, Fernsehen, Social Media, Essen, Alkohol und Drogen abzuschneiden.
Trauer ist kein Ballast, der wegtherapiert werden muss. Trauer ist eine natürliche Reaktion des Körpers und der Psyche nach einem Verlust. Trauer ebnet den Weg zurück ins Leben.
Trauerbewältigung ist wichtig, um sich im neuen Leben zurechtzufinden.
Diese Menschen waren vielleicht fast 40 Jahre mit ihrem verstorbenen Seelenpartner verheiratet. Sie sind den Weg fast ihr Leben lang gemeinsam gegangen.
Die eigene Mutter oder eigenen Vater war vielleicht die Person, die IMMER da war, wenn das Kind Trost und Hilfe brauchte.
Der beste Freund, der sich das Leben nahm, war vielleicht derjenige, der ihn als einziger auf der Welt zu verstehen schien.
“Wo ist er jetzt?”, “Werden wir uns je wieder sehen?”, “Hab ich alles getan, was ich tun konnte?”, “Warum wenden sich alle von mir ab, seitdem du tot bist?”, “Kann ich jemals wieder lachen?”, “Warum tut es so weh?”, “Warum kommt die Trauer immer wieder?”, “Ist das alles noch normal, was in mir vorgeht?”…
Diese und viele hundert weitere Fragen stellen sich Trauernde. Und weißt du was? NIEMAND kann sie ihnen zu 100% beantworten. Sie müssen selbst Antworten darauf finden.
Dieser Umgang in unserer Gesellschaft mit dem Tod und der Trauer bewirkt, dass wir krank werden.
Trauernde glauben, die Trauer nicht zulassen zu dürfen, sie wegdrücken zu müssen, weil die Chefin das selbe Arbeitspensum, wie zuvor verlangt und nicht einmal nachfragt, wie es ihm wirklich geht.
Mütter glauben nicht über ihr verstorbenes Kind sprechen zu dürfen, weil es noch nicht das Licht der Welt erblickte bevor es starb. Oder noch nicht die richtige Grammzahl erreicht hatte, dass es in unserer Gesellschaft betrauert werden darf. Du willst einer Mutter im Ernst die Trauer um ihr Kind nehmen? Was glaubst du, wie du drauf wärst, wenn dir das Leben einfach dein Kind weg nimmt? Du beschwerst dich, dass sie so komisch ist und sich zurückzieht?
Aktuell sind in unserer Gesellschaft Zahlen wichtiger als Menschen.
Willst du das wirklich?
Nur weil etwas nicht sichtbar ist, heißt es nicht, dass es nicht da ist.
Hat nicht jeder wenigstens ein bisschen Verständnis verdient? ͏
Wir müssen aufhören so übereinander zu denken und miteinander zu reden. Wir brauchen Kommunikation über das Unaussprechliche, dass es nicht länger das Unaussprechliche bleibt. Der Tod und die Trauer sind Teil unser aller Leben. Früher oder später wird dieser Teil unseres Lebens sichtbar.
Es ist schwer für dich damit umzugehen? Das verstehe ich und du musst nicht souverän wirken, doch bedenke eins:
Glaubst du dieser Mensch hat sich das so ausgesucht? Ist nicht selbst erschrocken über die eigene Reaktion auf den Verlust? Glaubst du der Trauernde weiß, was er tun soll, was richtig oder falsch ist, ob das alles noch gesund ist?
Das schlimmste, was jetzt passieren kann ist, dass noch mehr Menschen aus dem Leben verschwinden.
Wir alle dachten, es würde bloß den anderen passieren.
Mach’s gut.
Marina ?
PS: Ich kann in diesen Artikel nicht alles reinschreiben, was es zu dem Thema zu sagen gibt. Denn der Tod und die Trauer sind so komplex wie das Leben selbst. Wenn du dich näher damit beschäftigen willst oder selbst Trauernde/r bist und nach Hilfe suchst, dann findest du in meinem Podcast über 70 Folgen dazu oder schaue auf meinem Instagram oder Facebook Kanal vorbei. Du bist nicht alleine.