Stress und Trauer. Diese beiden Themen möchte ich in diesem Artikel zum einen genauer erklären, aber vor allem in Verbindung miteinander bringen und die Frage klären, ob Trauer Stress für den Menschen ist, aber auch ob Stress unsere Trauer beeinflusst und wenn ja, in wie fern.
Die Reaktion unseres Körpers auf Stress ist ein uralter Mechanismus. Er trieb schon unsere Urahnen an. Für sie war es die Grundlage um zu überleben, wenn sie bedroht waren. Als Antwort auf einen Stressimpuls, befiehlt das Emotionszentrum dem Körper: Stresshormone produzieren!
Ein ganzer Hormoncocktail wird von der Nebennierenrinde ausgeschüttet. Vor allem Adrenalin und Cortisol. Daraufhin steigen Blutdruck und Puls. Blut strömt in die Extremitäten, die Verdauung wird runtergefahren, weil sie in diesem Moment nicht lebensnotwendig ist und die Schmerzempfindlichkeit wird geringer. All das dient einem Ziel: Überleben! Entweder durch Flucht oder durch Kampf.
Ist die Herausforderung bewältigt, reagiert der Körper mit Entspannung. Das Gehirn weist den Körper an, die Stresshormone einzustellen. Durch den Abbau der Stresshormone entsteht körpereigenes Morphium und der Mensch fühlt sich wohl und entspannt. Das Gefühl von Zufriedenheit stellt sich ein.
Auch bei uns modernen Menschen sind noch die gleichen Mechanismen am Werk. Natürlich haben wir heute ganz andere Herausforderungen als unsere Vorfahren damals. Und viele Herausforderungen, die unsere Vorfahren hatten, kennen wir heute durch unseren modernen Lebensstil gar nicht mehr.
Doch Stressforscher beobachten mit Sorge, was Zeit- und Leistungsdruck und Reizüberflutung in unserem Körper bewirken. Bei vielen von uns reiht sich Stressreiz an Stressreiz. Gepaart mit Zukunftsängsten, Verlustängsten und Sorgen. Mediziner finden erhöhte Pegel von Stresshormonen, die nicht mehr richtig abgebaut werden.
Das fatale, was dadurch entsteht ist, dass sich ausgerechnet die Nervenstränge zurückbilden, die wir zur Entspannung benötigen. Also die, die dem Körper signalisieren, dass er sich jetzt entspannen kann, weil die “Gefahr” vorüber ist und gleichzeitig den Körper darin unterstützen herunterzufahren.
Forscher stellen fest, dass die eigentlich nützlichen Stresshormone uns krank machen. Sie lösen Herzkrankheiten und Depressionen aus, schwächen das Immunsystem und werden mit Krankheiten wie Diabetes und Krebs in Zusammenhang gebracht.
Ihre Empfehlung, um so früh wie möglich aus diesem Stresskreislauf ausbrechen zu können: Bewegung und Wege zur Entspannung finden.
Denn wo Stress ist, muss Entspannung folgen!
Wie sieht es aber jetzt mit der Trauer aus? Ist Trauer Stress? Wenn ja, muss Trauer dann vermieden werden, um den Stress niedrig zu halten?
Hier möchte ich das Wort Trauer aufteilen. Trauer ist zum einen ein Gefühl, das entsteht, wenn wir zum Beispiel einen Verlust erlitten haben – in Zusammenhang mit dem Tod, aber auch andere Verluste. Trauer wird aber auch als eine Phase erlebt, wenn man einen Verlust erlebt hat und beinhaltet alle Gefühle. Ich unterscheide somit die Trauer als Gefühl und die Trauer als “Phase” nach einem Verlust.
Das Gefühl Trauer ist eine Emotion einer ganzen Palette, die wir Menschen wahrnehmen können. Dazu muss man leider sagen, dass Emotionen wie Trauer noch viel zu wenig erforscht sind und viele Kenntnisse auf alten Theorien beruhen.
Meiner Meinung nach ist das Gefühl Trauer genau wie auch andere Emotionen, die wir tagtäglich oder auch seltener fühlen, Botschafter unserer Bedürfnisse. Sie machen uns darauf aufmerksam, was wir jetzt brauchen. Wie zum Beispiel Rückzug oder Verständnis von anderen bei Trauer, aber auch das Feiern, wenn wir Freude empfinden.
Gefühle wollen einen Raum, in dem sie präsent sein dürfen. Sie wollen in Bewegung sein dürfen. Weder wollen sie festgehalten, noch weggedrückt und ausradiert werden.
Und solange wir auch genau das zulassen und unterstützen, bin ich der Meinung, dass das Gefühl Trauer absolut kein (krankmachender) Stress für den Menschen ist. Sondern vielmehr dazu beiträgt, das System gesund zuhalten, indem es uns seine Botschaften sendet und uns zum Handeln oder in diesem Fall vielleicht zum Rückzug auffordert.
Die Trauer als Phase ist eine natürliche Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen, eines Haustieres, einer Arbeitsstelle etc. Diese Phase der Trauer kann unterschiedlich lange dauern. Ein kleiner Rest davon bleibt meiner Meinung und Erfahrung nach immer in uns, wenn wir einen geliebten Menschen oder Tier verloren haben und das darf auch so sein.
Trauer kann durchaus Phasen enthalten, die sehr stressig für die Psyche und auch für den Körper sein können.
Hier ein paar Beispiele, was ich selbst und meine Klienten in der Trauer als Stress empfanden:
Das sind nur ein paar Beispiele, welchem Stress Trauernde oft ausgesetzt sind.
Meiner Meinung nach müssten die meisten dieser Stressfaktoren nicht sein und sind vermeidbar.
Ich glaube zum Beispiel, dass wir mit den Gefühlen der Trauer besser umgehen könnten, wenn Emotionen – und vor allem die unangenehmen – in der gesamten Gesellschaft mehr Raum bekämen. Und wenn wir von klein auf lernen würden, wie wir unsre Gefühle regulieren können.
Ich glaube, dass der Stress, der entsteht, wenn das Umfeld mit Ratschlägen auf uns zukommt, die mehr Verwirrung und Selbstzweifel erzeugen, verringert werden könnte, wenn Tod und Trauer kein Tabu mehr wären und offen darüber gesprochen würde.
Auch aus diesen Gründen glaube ich nicht, dass die Trauer an sich ein krankmachender Stressfaktor ist. Vielmehr glaube ich, dass wir sie durch unseren “NICHT-Umgang” damit zu einem enormen Stressfaktor machen, der durchaus negative Folgen haben kann. Dennoch bin ich der Auffassung, dass Trauer als psychische Belastung angesehen werden kann und man sie auch zum Teil als psychischen Stress beschreiben könnte.
Wenn wir davon ausgehen, dass Trauer eine gewisse oder auch zum Teil eine enorme psychische Belastung sein kann liegt nahe, dass zusätzlicher Stress auch die Trauer (negativ) beeinflusst. Und so schlagen wir auch den Bogen zum “Nicht-Umgang” mit Trauer und den Faktoren, die in unserer Gesellschaft in Bezug auf Trauer und Tod vorhanden sind und durch einen anderen Stellenwert von Tod und Trauer verringert werden könnten.
Ja, Stress am Arbeitsplatz, Ärger in der Familie, ständiges Rechtfertigen der eigenen Gefühle beeinflussen die Trauer und die Fähigkeit mit den Gefühlen und den Herausforderungen der Trauer umzugehen.
Wenn wir nicht darauf achten, dass unser allgemeiner Stresspegel verringert wird, können wir nicht erwarten, dass wir gute Bewältigungsstrategien für die Trauer entwickeln können. Wenn wir weiterhin funktionieren und alles so weiter machen wie zuvor, können wir nicht erwarten, dass wir Balance in unsere Trauer bringen können.
Und gleichzeitig müssen wir beachten, dass wir durch die zusätzliche psychische Belastung durch unseren Verlust und die daraus resultierende Trauer gar nicht die Energie und Kapazität haben können, um all das, was wir vorher gestemmt haben weiterhin im selben Tempo und im selben Ausmaß weiterführen können. Wir brauchen Momente und Phasen der Ruhe. Jeder. Trauernde als auch Nicht Trauernde.
Wir als Trauernde müssen akzeptieren, dass wir für eine gewisse Zeit besonders auf unser Stresslevel acht geben müssen, wenn wir einen gesunden Umgang mit dem Geschehenen und unserem weiteren Leben finden möchten.
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